Antwort auf den Leserbrief von Herrn Mayr in der Bezirksrundschau vom 17. Dezember 2023 (online).

Wer die Funktion der Demokratie nicht lebt, kann sie auch nicht begreifen - Toleranz und Akzeptanz von Mehrheitsbeschlüssen als wichtiges Element der Demokratie

Sehr geehrter Herr Mayr,

der Begriff Demokratie stammt aus dem Griechischen, wobei „demos“ Volk und „kratia“ Herrschaft bedeutet, also wörtlich „Herrschaft des Volkes“. In einer Demokratie haben die Bürgerinnen und Bürger das Recht, durch Wahlen ihre Vertreter in den Steyrer Gemeinderat bzw. Stadtsenat zu wählen und somit an der Gestaltung der Politik mitzuwirken. In Steyr sind dies die Mitglieder des Stadtsenats aus den Parteien SPÖ, FPÖ und ÖVP. Jene haben den Auftrag, im Namen des Volkes zu handeln und Entscheidungen zu treffen. Und genau jene wurden auch zu einem Gespräch beim zuständigen Landesrat Günther Steinkellner eingeladen. Als Entscheidungsgrundlage für konkrete Zukunftsprojekte - wie es die Westspange Steyr ist - wurden Ergebnisse präsentiert und unter Einbindung von Experten erörtert.

Bei solch wichtigen und großen Vorhaben, die verfahrens- und materienrechtlich sehr aufwendig und deshalb auch nur gemeinschaftlich umsetzbar sind, ist eine Kooperation unabdingbar. Genau darum ging es auch bei den Gesprächen – nämlich um die fachliche Diskussion eines Infrastrukturprojekts und der Fragestellung, wie die politischen Vertreter der Stadt Steyr dazu stehen. Ich sehe in diesem Vorgehen keinesfalls etwas demokratiepolitisch Bedenkliches, sondern ganz im Gegenteil ein korrektes Vorgehen. Man lädt die gewählten Volksvertreter zu Gesprächen ein und eruiert, ob Projekte mehrheitsfähig sind. In einer Demokratie ist es selbstverständlich ebenfalls legitim, dass man unterschiedliche Meinungen zu Projekten vertreten darf. Sorge bereitet mir vielmehr das Demokratieverständnis von einigen Wenigen.

Wenn umweltfanatische Minderheiten unter dem Deckmantel des Klimaschutzes versuchen, die Mehrheiten zu drangsalieren, ist das eine Fehlinterpretation des Demokratieverständnisses. Den Unmut kann man im Diskurs kundtun, aber muss auch bereit sein, Entscheidungen, die von der Mehrheit getroffen wurden, zu tolerieren. Antidemokratisches Verhalten zeigt sich aber an diesem Scheidepunkt, wenn es nicht mehr um Sachlichkeit, sondern um Moralisierung geht. Beinahe täglich ist dieses antidemokratische Momentum dann sichtbar, wenn man sich beispielsweise voller kindlicher Infantilität auf der Straße festklebt anstatt Akzeptanz zu begreifen. Die Menschen in unserer Stadt erwarten von der Politik ein vernünftiges Zusammenarbeiten, um mit Rationalität, Hausverstand und dem notwendigen Mut Projekte umzusetzen, die unsere Stadt und die Region voranbringen.

Es wäre utopisch zu glauben, dass Mehrheitsentscheidungen für alle und jeden passgenau richtig sind. Aber eben profitiert eine Mehrheit von diesem geplanten Infrastrukturprojekt. Diese Mehrheit verhält sich ruhig und agiert ohne moralische Hysterie. Aber auch Sie werden in einer Demokratie gehört. Wenn die Entscheidungen zu dem Projekt finalisiert und getroffen sind, werden diese selbstverständlich auch mit den damit verbundenen Zahlen, Daten und Faken kommuniziert. Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass Sie dies davon abhält, die Keule der Moral zu schwingen. Dabei sind sowohl der gegenseitige Respekt, ein angebrachter Umgangston sowie die Toleranz und Akzeptanz von Mehrheitsbeschlüssen wesentliche Elemente einer Demokratie.

 

 

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Evelyn Kattnigg, BA (FH)    
Stadträtin